Ich
habe keinesfalls die Absicht, hier unseren bekannten und guten
Graveuren
das Gravieren von Zinnfiguren beizubringen, oder Ihnen
Ratschlage
zu geben. Das wäre von mir auch sicher zu viel verlangt.
Also,
wer sich auf's Handwerk versteht, der mag beim Lesen dieses
Aufsatzes
schmunzeln oder auch lachen; lernen kann er hier nichts.
Ich
verfolge hiermit eine ganz andere Absicht.
Immer
wieder höre ich von Sammlern, daß sie dringend eine Figur
oder
Zubehör für ihre Aufstellung brauchen, die es im Angebot der
Herausgeber
nicht gibt, vor allem deshalb, weil es sich einfach nicht
lohnt,
für einen oder im Höchstfall zehn Abgüsse Fünfzig oder Hundert
Euro in eine Form von einem guten Graveur zu investieren.
In
der Hoffnung, diesen Sammlern Mut zu machen, doch einmal selbst
zum
Stichel zu greifen, will ich hiermit eine kleine Anleitung zum
Gravieren
geben.
Vielleicht
erkennt der Eine oder Andere sogar, daß die Sache eigend-
lich
großen Spaß macht und mausert sich mit der Zeit zu einem Graveur,
der
die ohnehin überlasteten "Professionellen" ein wenig unterstützen
kann.
Sie
machen sich also eine Zeichnung, oder lassen sich von einem, der
es
kann, eine solche anfertigen und dann wollen Sie die Figur, wie
es
im Fachjargon heißt "auf den Stein bringen", also gravieren*
Sie
benötigen also Steine für die Form, eine Kelle (sprich Gieß-
löffel) einen Esbit-Kocher, ein paar Stichel, einen Bohrer mit Bohr-
nadeln, einen Tisch mit einer Unterlage, die Sie ruhig zerkratzen dürfen
und die Verheirateten eine sehr verständnisvolle Ehefrau -oder Ehe-
mann-. Mehr brauchen Sie nicht!
Die
Steine für die Form
Ich
bin ganz sicher daß Sie am Anfang nicht in Metall gravieren wollen.
Wir
beschranken uns also auf Schiefer- oder Gipsplatten.
Gipsplatten
sind für den, der nur wenige Abgüsse braucht und sich
des
Stichels noch nicht sicher ist, eine wunderschöne Sache.
Der
weiche Gips zwingt dazu, sensibel zu arbeiten, man wird schnell
fertig,
das Erfolgserlebnis kommt rasch und der Mut verläßt Sie
nicht.
Gips
hat allerdings einen großen Nachteil. Er hält im Schnitt höchs-
tens
50 Abgüsse aus, und es gelingt nie, die Platten ganz ohne Luft-
bläschen
herzustellen, das heißt: die fertigen Figuren müssen an
der
Oberflache immer noch gering überarbeitet werden.
Keine
Angst! Die Figuren sind trotzdem sehr brauchbar.
Schieferplatten
liefern optimale Figuren, sind haltbar und man kann
die
Formen mehrere tausendmal abgießen, wenn man sie richtig behan-
delt.
Nur
für den, der sich das erste Mal versucht, bieten sich einige
Probleme.
Schieferplatten sind nicht überall zu bekommen, eine Aus-
wahl
des richtigen Schiefers braucht einige Erfahrung und beim Gra-
vieren
muß man mit großem Kraftaufwand in den Fingern trotzdem noch
feinfühlig
und genau arbeiten.
Am
Anfang braucht man lange, bis die Figur fertig ist. Man benötigt
Durchstehvermögen
und die Enttäuschung ist groß, wenn nach all der
Arbeit
die Figur nichts geworden ist.
Wer
ein ruhiger, ausgeglichener Typ ist, sollte auch am Anfang
nicht
vor Schiefer zurückschrecken.
Zinnfigurengravieren
2
Herstellung
der Gipsplatten
Das
ist ein recht einfacher Vorgang. Sie kleben sich einfach eine
Glasform zusammen, in der Sie sich die Platten gießen.
Für die Glasform benötigen Sic eine große Grundplatte von. ca. 20
mal 30 cm. Die Seitenteile, die nachher die Formsteine begrenzen,
fertigen Sie aus 17 cm langen Glasstreifen. Davon lassen Sie sich
beim Glaser 3 Stück zuschneiden. Die kurzen Seiten bilden vier
Streifen von. 6 - 7 cm Länge. Alle Streifen sollen etwa 3 cm hoch
sein und ihre Kanten absolut gerade. Außerdem darf es nur rechte
Winkel geben.
Nun
kommt es darauf an, daß die Seiten auf der Grundfläche genau
senkrecht stehen. Dazu lassen Sie sich von Glaser eine Anzahl quadra–
tischer Stücke von 2,5 x 2,5 cm schneiden. Diese kleben Sie als
Stützen so an die Glasstreifen, daß sie auf der Grundplatte senkrecht
stehen. Jetzt kleben Sie die Form laut Zeichnung 1) mit Uhu oder
ähnlichem Kleber an der Grundplatte fest (Achtung: Sie müssen die
Teile nachher wieder von der Grundplatte ablösen können!).
Jetzt können Sie den Gips anrühren. Er muß ungefähr die Konsistenz
von Pfannkuchenteig haben, also relativ flüssig sein, damit vor dem
Erstarren die Luftbläschen möglichst weit nach oben steigen können.
Diesen Teig gießen Sie nun langsam in die Glasform. Nach etwa 12
Stunden können Sie die Form um den Gipsstein herum abnehmen. Den
Stein selbst bekommen Sie durch Drehen von der Grundplatte, wo er
sich natürlich festgesaugt hat. Nach weiteren ein bis zwei Tagen
Trockenzeit ist er dann gravurfertig.
Nach
dem gleichen Verfahren können Sie sich auch einen "Setzstein"
herstellen. Das ist der Stein, der die Form an der Seite der Fuß–
brettchen abschließt. Er sollte folgende Maße haben: 17 x 3 x 0,5
cm,
Zinnfigurengravieren
3
Schiefersteine
Der
Gravurschiefer soll frei von Einschlüssen sein und homogen im
Material.
Außerdem darf er nicht zu spröde und hart sein.
Hier
eine Adresse, wo Sie sehr brauchbaren Schiefer bekommen können:
Schieferbau
Schmelzer & Co Nuttlar
5780 Bestwig 3
Postfach 4.
Es
gibt sicher noch eine Menge anderer Firmen. Wenn Sie einen Zinn–
figuren-Graveur etc. in der Nähe haben, könnten Sie ihn vielleicht
bitten, daß er Sie bei seiner nächsten Bestellung mit einschließt.
Sie kommen so gleich an den richtigen Schiefer und für den Graveur
erniedrigen sich bei einer größeren Bestellung die Fracht– und Ver–
packungskosten pro Stein.
Die
Stichel
Jeder
berufsmäßige Graveur (ich meine jetzt nicht nur Zinnfiguren-
graveure)
wird Ihnen eine Quelle nennen können, wo Sie sich gute
Graveurstichel
kaufen können.
Ich
habe meine Stichel größtenteils selbst angefertigt, und das
können
Sie auch, sofern Sie die Möglichkeit haben, eine Schleifma-
schine
zu benutzen.
Der
erste Grundsatz ist, das Werkzeug muß zum Ausschaben einer Figur
geeignet
sein. Es gibt keine weiteren Grundsätze. Alles was hier
noch
kommt, sind nur Vorschläge, die Ihnen einen Start erleichtern
sollen.
Sehen
Sie sich einmal die Werkzeuge unserer großen Graveure an.
Das
sind Dinger, mit denen Sie sich nicht einmal die pfeife reinigen
würden,
und doch entstehen und entstanden damit Zinnfiguren, die in
ihrer
Feinheit und Schönheit mit Recht als Kunstwerke bezeichnet
werden
müssen. (Anm. der Redaktion: Die Graveurstichel von Altmeister
Ludwig
Frank sind auf der Plassenburg in Kulmbach zu sehen).
Also
ich schlage vor:
1.)
einen Stichel rund , Durchmesser 0,5 cm ( 5 mm)
2.) "
" " " . 0,1 cm ( 1 mm)
3.) "
" " " fast Null cm (o,5 mm)
4.)
eine Nadel, z.B.' einen Pfriem (Reiß-Nadel) für ganz feine Sachen;
5.)
einen Hohlbeitel o.Á. aus gutem Stahl, Durchmesser 1 cm.
6.)
eine große Halbrund-Feile (Holzfeile genügt) für den Einlauf-
trichter am Ende der Form;
7.)
ein Taschenmesser zum Glätten von Flächen,
8.)
einen Stichel, vierkantig (gut für Fußbrettchen), Durchmesser
ca.
2 mm.
Für
die Stichel eignet sich logischerweise alles, was sich wie folgt
zuschleifen läßt:
Zeichnunq
2:
Zinnfigurengravieren
4
Alle
Stichel brauchen einen handlichen Griff. Welcher der beste ist,
werden
Ihnen Ihre Hände schon sagen.
Wie
Sie das Werkzeug anwenden, müssen Sie nun herausfinden. Jeder
graviert
anders, wie auch jeder Maler anders mit dem Pinsel umgeht.
Es
wäre sinnlos, wenn ich jetzt versuchen würde, Ihnen hier theore–
tisch
das Gravieren beizubringen. Man lernt hier nur aus Erfahrung
und
aus den eigenen Fehlern am besten!
Außer
den Sticheln benötigen Sie noch einen Handbohrer mit einem
Satz
Bohrnadeln (HHS - Bohrer 0,6, 0,5 oder 1 mm und 6 mm ).
So,
nun geht es endlich an das Gravieren selbst.
Zunächst
muß die Zeichnung auf den Stein gepaust werden. Das geht
am
besten mit Schwarzem Kohlepapier für die Schreibmaschine. Normales
Blaupapier
schmiert zu sehr.
Es
genügt, die Umrisse der Figur auf der Zeichnung durchzupausen,
weil
das Innere der Figur ja sowieso beim ersten Arbeitsgang ver–
schwindet,
da Sie sie nun ausschaben.
Der
Platz der Figur auf dem Stein ist von gießtechnischen Bedingungen
her bestimmt. Damit beim Gießen ein möglichst großer Druck in der
Form herrscht, muß der Einlauf möglichst lang sein (mindestens 7 cm).
Viel länger ist aber auch nicht gut, weil dann das Zinn zuviel Wärme
abgibt, bevor es die eigentliche Figur erreicht. Deshalb muß der Ein–
lauf auch tief und breit graviert sein. Außerdem sollten die Extremi-
täten der Figur möglichst in Flußrichtung liegen. Sie müssen da na–
türlich Kompromisse schließen, aber ein wenig physikalisches Verständ-
nis und gesunder Menschenverstand helfen da sehr.
Im Prinzip wird die Zeichnung in folgender Lage aufgepaust:
Zinnfigurengravieren
5
Beim
Aufpausen ist darauf zu achten, daß zwischen der Figur und der
Formenkante ein Zwischenraum bleibt, der "Steg", in den nachher das
Zinn zur Figur laufen soll.
Jetzt
gehen Sie mit einer feinen Nadel noch einmal die Umrisse der
Figur nach. Dabei können Sie auch gleich Pausfehler korrigieren.
Das hat folgenden Sinn: Die Figur wird dauerhaft fixiert und evtl.
Herausbrechen des Schiefers bei der Gravur wird an –dieser Grenze ge–
stoppt. Diese Sicherung funktioniert natürlich dann nicht mehr, wenn
man wie ein kanadischer Holzfäller an die Form herangeht.
Sie sollten auch nicht mehr als drei Fußer oder zwei Reiter auf eine
Form bringen, da sonst ein einwandfreier Guß nicht mehr gewährleistet
ist. Der Abstand vom Ende des letzten Fußbrettchens bis zum Ende der
Form sollte mindestens 2 cm betragen, damit bei Unregelmäßigkeiten
an den Kanten der Form das Zinn nicht unten herausläuft.
Bei
Schiefersteinen muß man vor dem Aufpausen. der Figur natürlich
die beiden Steine völlig plan schleifen. Das geht sehr gut, indem man
die Steine mit Wasser befeuchtet, mit Ata oder Ähnlichem bestreut
und aufeinander reibt. Das muß auf jeden Fall gemacht werden!
Die
wie oben herstellten Gipsplatten sind naturgemäß plan genug.
Nun
fangen Sie an, innerhalb der Umrisse die Figur auf die flachste
Tiefe
auszuheben. Dabei halten Sie den Stichel so wie Ihren Füllfeder-
halter
beim Schreiben. Seien Sie am Anfang ruhig zu zaghaft. Sie wer–
den
schon merken, wenn die Figur nachher zu flach wird, und können sie
dann
immer noch vertiefen. Sie werden auch sehr bald ein Gefühl für
die
richtige Tiefe bekommen. Am besten, Sie legen sich eine Figur
von
6Ìnem guten Graveur daneben, nach der Sie sich orientieren.
Bedenken
Sie, daß auch im Flachrelief z.B. ein menschlicher Körper
im
wesentlichen rund ist und die Gravur etwa in der Mitte ihren tiefsten
Punkt
hat. "Körperlosigkeit" ist einer der häufigsten Fehler den An–
fänger
machen!
Weiterhin
müssen Sie seitenverkehrt gravieren.
Sie
gravieren der Reihe nach jetzt alles, was tiefer liegt als die
flachste
Ebene. Dinge, die sich deutlich vom Untergrund abheben
sollen,
müssen dort scharfe Kanten haben, wo sie in der Zeichnung 4)
markiert
sind. Wichtige Punkte können Sie sich mit dem Stechzirkel
von
der Zeichnung auf die Form übertragen.
Nehmen
Sie sich am Anfang auch nichts zu Schwieriges vor. Vielleicht
erst
einmal Zubehör. Das ist wesentlich einfacher als Menschen oder
gar
Tiere. Denken Sie auch nicht, man könnte beim Gravieren eine
3chlechte
Zeichnung korrigieren. Also bevor Sie zum Stichel greifen,
muß
die Zeichnung vollkommen in Ordnung sein!
Gravieren
ist zu 99,9 % Handwerk !
Das
eine Promill unterscheidet nur einen guten von einem ausgezeich-
neten
Graveur. Und bis dahin braucht es viele viele Jahre.
Ehe
Sie also Falten und Muskeln mit genialem Schwung angehen, sollten
Sie
vorher doch lieber eine gute Künstleranatomie studieren.
Wenn
Sie nun die eine Seite der Form fertig graviert haben, müssen
Sie
die Umrisse genau passend auf die andere Seite bringen.
Dazu
durchbohren Sie die fertige Seite an zwei Stellen, die mög–
lichst
weit auseinanderliegen. Diese Seite wird jetzt auf die an–
dere
Formhälfte so gelegt, daß die Kanten mit den Fußbrettchen
genau
abschließen. Dann markieren Sie die Bohrungen auf der neuen
Seite
und bringen dort trichterförmige Bohrungen an.
Zinnfigurengravieren
6
Jetzt
passen Sie beide Steine nocheinmal genau aufeinander, schmel–
zen sich im Gießlöffel auf dem Esbitofen ein wenig Lötzinn (kann
man in Barren beim Klempner kaufen) und gießen es in die Bohrungen.
So erhalten Ihre Formenhälften Zapfen, die ihre Lage aufeinander
genau festlegen.
Jetzt
rußen Sie die fertiggravierte Seite mit einer Kerze, besser
noch mit einer Petroleumfunzel, feuchten die andere Steinhälfte
dort, wo die Figuren ungefähr sitzen werden, mit Spucke an und drük–
ken sie auf die gerußte Seite. So erhalten Sie einen genauen Abdruck
der gravierten Hälfte auf dem frischen Stein. Sie brauchen den Ab–
druck jetzt nur noch zu fixieren, indem sie ihn mit einem feinen
Stichel nachziehen, dann können Sie an die Gravur der anderen Seite
gehen.
(Anm.d.Redaktion: Während des Gravierens können Sie durch ent–
sprechenden
Abdruck mit Plastillin stets den Stand und das Ergeb–
nis
Ihrer Arbeiten kontrollieren.)
Damit
die Luft, die dort sitzt, wo beim Gießen das Zinn hinein soll,
heraus
kann, muß die Figur entlüftet werden. Dazu bringt man um die
Figur
herum feine Kanäle an, die zum Formenrand führen.
Überall dort, wo diese Kanäle nicht zum
Formenrand führen können,
also
da, wo die Zinnlegierung einmal ganz herumfließt, muß man der
Luft
durch die Form hindurch einen Ausgang schaffen, eine Bohrung
anbringen.
Dazu bohrt man mit einem feinen Bohrer (ca. 0,5 ¤^) von
der
gravierten Seite her in die Form hinein, markiert die Stelle
auf
der anderen Seite des Steins (ausmessen!)und bohrt von dort
mit
einem dickeren Bohrer (ca. 6 mm) dagegen. Vorsicht, damit Sie
nicht
durchbohren.
Bei
der Gravur der Fußbrettchen muß man darauf achten, daß man Be–
schriftungen,
Typennummern etc. spiegelbildlich anbringt.
Wenn
Sie jetzt noch die Bohrungen mit einem feinen Holzspan ver–
schlossen
haben, damit auf keinen Fall Zinn hineinläuft, ist Ihre
erste
Form fertig.
Gipsformen
können Sie dann gleich gießen, das gibt mit dem Esbit–
kocher
und dem Löffel voll Lötzinn keine Probleme.
Das
Gießen von Schieferformen ist eine Kunst für sich und würde
mindestens
noch einmal so einen Aufsatz erfordern.
Am
besten, Sie lassen 1hre Schieferformen von einem Herausgeber
gießen.
Zinnfigurenherausgeber
sind alle nett und hilfsbereit und es wird
sich
sicher einer finden, der gegen ein entsprechendes Entgelt für
Arbeitsaufwand
und Materialverbrauch Ihre Formen an einem Gießtag
dann
mit herannimmt.
Und
nun viel Spaß!
Karl-Werner
Rieger.